Nutzwerte der Hüft- und Knieendoprothetik und deren Nachbehandlung
Liebs T, Herzberg W, Rüther W, Russlies M, Hassenpflug J
Fragestellung: Die Anzahl der qualitätsadjustierte Lebensjahre (Quality adjusted life years, QALYs), welche durch den endoprothetischen Ersatz des Hüft- oder Kniegelenks und auch durch die Nachbehandlung gewonnen werden können ist bislang weitgehend unbekannt.
Ziel dieser Analyse war es daher,
- die Anzahl der QALYs zu bestimmen, welche durch endoprothetischen Hüft- oder Kniegelenksersatz gewonnen werden,
- den Einfluss der Nachbehandlungsstrategien auf die gewonnenen QALYs zu bestimmen, und
- die Anzahl der QALYs abzuschätzen die gewonnen werden könnten, wenn die hier untersuchten Nachbehandlungen landesweit umgesetzt werden würden.
Methodik: Wir haben eine Sekundäranalyse von zwei publizierten multizentrischen randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 823 Patienten durchgeführt, in denen das Ergometertraining vs. kein Ergometertraing und der zeitliche Beginn von Bewegungsbädern (früh, ab dem 5. postoperativen Tag vs. spät, nach Abschluss der Wundheilung) nach endoprothetischen Ersatz des Hüft- oder Kniegelenks untersucht worden ist. Die qualitätsadjustierte Lebensjahre (QALYs) wurden u. a. mit Hilfe des SF-6D bestimmt, welcher präoperativ und nach 3, 6, 12, und 24 Monaten erhoben worden ist.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Nach endoprothetischen Ersatz des Hüftgelenks (Kniegelenks) haben die Patienten in der Nicht-Ergometergruppe 2,35 (1,81) qualitätsadjustierte Lebensjahre gewonnen, während die Patienten in der Gruppe des späten Bewegungsbades 2,30 (1,60) QALYs gewinnen konnten.
Darüber hinaus haben die Patienten der Ergometergruppe zusätzliche 0,55 qualitätsadjustierte Lebensjahre (QALYs) nach Hüft- und zusätzliche 0,10 QALYs nach Kniegelenksersatz aufgewiesen. Die Patienten in der Gruppe des frühen Bewegungsbades haben zusätzliche 0,12 QALYs nach Hüft- und zusätzliche 0,01 QALYs nach Kniegelenksersatz aufgewiesen.
Wenn z. B. das Ergometertraining nach endoprothetischen Ersatz des Hüftgelenks nur bei jedem zweiten Patienten, der einen Gelenkersatz erhält, umgesetzt werden würde, ergäben sich bei einer jährlichen Fallzahl von aktuell 210.000 Hüftendprothesen in Deutschland somit anhand dieser Daten hochgerechnet 58.200 (95% Vertrauensbereich: 8.911 bis 107.489) zusätzliche qualitätsadjustierte Lebensjahre, welche jedes Jahr allein nach Hüftgelenksersatz gewonnen werden könnten.
Der Gewinn von einem halben zusätzlichen qualitätsadjustierten Lebensjahr durch die Nachbehandlung macht knapp ein Viertel des Effektes der Operation aus. Obwohl dieser Gewinn als ein kleiner Effekt auf dem individuellen Patientenlevel interpretiert werden könnte, so gewinnt dieser Effekt jedoch spätestens dann Bedeutung, wenn er auf die hohe Anzahl von Patienten extrapoliert wird, welche jedes Jahr einen endoprothetischen Gelenkersatz erhalten. Somit scheint die Behandlung nach Gelenkersatz ein vergleichbares Potential auf den Gewinn von qualitätsadjustierten Lebensjahren zu haben wie in der internistischen Fachliteratur für die medikamentöse Therapie des arteriellen Hypertonus beschrieben worden ist.
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocWI32-1304
doi: 10.3205/14dkou191, urn:nbn:de:0183-14dkou1914
Published: October 13, 2014
© 2014 Liebs et al.
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