Orthopädischen Gerüchten auf der Spur: Ist die Coxitis fugax eine Vorstufe des Morbus Perthes?

Okt 2, 2017

Orthopädischen Gerüchten auf der Spur: Ist die Coxitis fugax eine Vorstufe des Morbus Perthes? Erste Ergebnisse einer auf Versicherungsdaten basierenden Untersuchung

Stobbe S, Filler T, Gödecke S, Lieb A, Placzek R

 

Fragestellung: Die Coxitis fugax (Cf) ist eine häufige Differentialdiagnose zum beginnenden Morbus Perthes (MP) [1], [2]. Ob sie als Prädisposition für einen späteren MP gelten kann, wird seit Jahren sowohl auf pädiatrischem wie auf kinderorthopädischem Gebiet kontrovers diskutiert [3], [4], [5]. Der relativ geringen Inzidenz beider Erkrankungen ist geschuldet, dass die häufig geforderten kontrollierten klinischen Studien hierzu bezüglich ihrer Fallzahlen limitiert sind.

Durch eine Kooperation mit einer privaten Krankenversicherung wurde es nun möglich, Daten von N=960 Kindern mit Cf auszuwerten. In der Literatur finden sich bislang Studien von N=41 [6] bis N=160 [7] Kindern.

Methodik: Um den Zusammenhang zwischen einer Cf und späterem MP abzuklären, wurden die Versicherungsdaten des privaten Krankenversicherers standardisiert evaluiert. Diese neuartige Form der Datenanalyse wurde durch die zunehmend strukturierte Datenerfassung im Versicherungswesen möglich und bietet Zugriff auf große Fallzahlen, um derartige Fragestellungen zu untersuchen.

Die statistische Auswertung erfolgte über einen Pearson Chi-Quadrat-Test. Hier ist in der Erhebung eine singuläre Stichprobe mit sechs zentralen Merkmalen erfasst worden (Geschlecht, Erkrankung 1, Erkrankung 2, Alter bei der Erkrankung 1 in Lebensjahren (LJ), Seite der Erkrankung 1, Alter bei der Erkrankung 2 in LJ).

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Bei 960 Kindern mit mindestens einer Episode Cf fand sich in 11 Fällen (1,15%) im weiteren Verlauf ein MP. Kinder mit mehr Cf Episoden waren häufiger, nämlich in 4% der Fälle, von einem MP betroffen. Das durchschnittliche Intervall zwischen den Diagnosen betrug dabei im Median, der als stabiler Parameter gegen Ausreißer gilt, 36 Tage. Während die Häufigkeit von Cf mit steigendem Alter kontinuierlich abnahm, konnte für MP ein Häufigkeitsgipfel im 5. LJ gezeigt werden, so dass der Verdacht der Unabhängigkeit beider Krankheiten nahe liegt.

In der Zusammenschau lassen die Daten nicht den Schluss zu, dass ein MP durch eine Cf prädisponiert wird, unsere Analyse schließt sich also den Autoren an, die eine Rolle der Cf bei der Entwicklung des MP verneinen.

Dennoch – eine verlässliche Aussage kann nicht mit 11 Fällen MP getroffen werden, es sollten noch die Daten weiterer Versicherer in die Untersuchung eingeschlossen werden. Dies ist durch unsere Studiengruppe bereits eingeleitet.

Literatur

  1. Manig M. M. Perthes. Diagnostische und therapeutische Prinzipien [Legg-Calvé-Perthes disease (LCPD). Principles of diagnosis and treatment]. Orthopade. 2013 Oct;42(10):891-902. DOI: 10.1007/s00132-013-2177-y.
  2. Nelitz M, Lippacher S, Krauspe R, Reichel H. Perthes disease: current principles of diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int. 2009 Jul;106(31-32):517-23. DOI: 10.3238/arztebl.2009.0517
  3. Landin LA, Danielsson LG, Wattsgård C. Transient synovitis of the hip. Its incidence, epidemiology and relation to Perthes‘ disease. J Bone Joint Surg Br. 1987 Mar;69(2):238-42.
  4. Mumme T, Berkemeier E, Maus U, Bauer A, Wirtz DC. Die Coxitis fugax – Vorstufe des Morbus Perthes? [Coxitis fugax – the beginning of Perthes‘ disease?]. Z Orthop Ihre Grenzgeb. 2005 Sep-Oct;143(5):529-33.
  5. Wirth T. Die Coxitis fugax – Vorstufe des Morbus Perthes? [Coxitis fugax – the beginning of Perthes’ disease?]. Z Orthop Ihre Grenzgeb. 2006 Mar-Apr;144(2):232
  6. Mukamel M, Litmanovitch M, Yosipovich Z, Grunebaum M, Varsano I. Legg-Calve-Perthes disease following transient synovitis. How often? Clin Pediatr (Phila). 1985 Nov;24(11):629-31.6.
  7. Erken EH, Katz K. Irritable hip and Perthes‘ disease. J Pediatr Orthop. 1990 May-Jun;10(3):322-6.

 

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocWI45-1525

doi: 10.3205/14dkou302urn:nbn:de:0183-14dkou3021

Published: October 13, 2014
© 2014 Stobbe et al.
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