Auswirkungen von Beinlängendifferenzen auf Becken und Wirbelsäule bei Patienten mit Hüftgelenksersatz

Mai 6, 2019

Auswirkungen von Beinlängendifferenzen auf Becken und Wirbelsäule bei Patienten mit Hüftgelenksersatz

Betsch M, Graber M, Wild M, Zilkens C

Fragestellung: Beinlängendifferenzen stellen die zweithäufigste Ursache für einen Rechtsstreit nach einer Gelenkoperation dar und 7.9% aller Orthopäden werden im Laufe ihrer Berufslaufbahn aufgrund eines postoperativen Beinlängenunterschiedes verklagt. In vorherigen Studien konnten wir ein Modell zur Simulation von Beinlängendifferenzen und deren Auswirkungen auf Beckenstellung und Körperhaltung mit Hilfe eines lichtoptischen Messsystems etablieren. Ziel der aktuellen Studie war es die Effekte von Beinlängendifferenzen bei Patienten nach Hüftgelenksersatz unter Verwendung dieses Modells zu untersuchen und mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen.

Methodik: Im Rahmen unserer Studie wurden 99 Patienten (65 Frauen und 34 Männer) durchschnittlich 24 Monate nach Implantation einer Hüftgelenksprothese untersucht. Beinlängendifferenzen von +10 mm, +20 mm und +30 mm wurden durch eine computergesteuerte Standplattform bei allen Patienten und in einer gematchten Kontrollgruppe simuliert. Nach einer Minute wurden die Effekte der simulierten Beinlängendifferenzen auf Becken (Beckenschiefstand und torsion) und Wirbelsäule (Seitabweichung und Oberflächenrotation) mit Hilfe eines lichtoptischen Messsystems (Formetric®, Diers International GmbH, Schlangenbad, Deutschland) erfasst. Unterschiede zwischen den Beinlängendifferenzen und zwischen den Gruppen wurden mit Hilfe von unabhängigen T-Tests sowie mit multivarianten ANOVA-Tests (modifizierte Bonferroni Methode) evaluiert.

Ergebnisse: Nach Implantation einer Hüftgelenksprothese zeigte sich radiologisch gemessen eine durchschnittliche Beinlängendifferenz von 1.22±11 mm. Beinlängendifferenzen von 10 mm und mehr führten in unserem Patientenkollektiv zu einer signifikanten Veränderung (p<0.05) des Beckenstandes und ab 20 mm zu einer signifikanten Erhöhung (p<0.05) der Beckentorsion. Durch Beinlängendifferenzen von 30 mm kam es zu signifikanten Veränderungen (p<0.05) in der Oberflächenrotation und Seitabweichung der Wirbelsäule. Nach Implantation einer Hüftgelenksprothese führen Beinlängendifferenzen im Vergleich zu einem Normkollektiv zu stärkeren Veränderungen der Beckenstellung und Wirbelsäulenform. So zeigten sich signifikante Unterschiede (p<0.05) zwischen beiden Gruppen ab 10 mm Beinlängendifferenz sowohl für die Wirbelsäulenparameter als auch ab 20 mm für die Beckenstellung.

Schlussfolgerung: Mit dem hier verwendeten Messsystem können beinlängenbedingte Veränderungen der Körperhaltung und Beckenstellung umgehend und strahlenfrei erfasst werden. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es in Hüft-TEP Patienten zu signifikanten Veränderungen des Beckens und der Wirbelsäule durch simulierte Beinlängendifferenzen kommt. Jedoch scheinen sich bei diesen Patienten, Beinlängendifferenzen stärker auf das Becken und die Wirbelsäule auszuwirken als in einer vergleichbaren Kontrollgruppe, was durch eine operativ bedingte veränderte Biomechanik des Hüftgelenks erklärbar ist.

 

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocGR19-975

doi: 10.3205/14dkou535urn:nbn:de:0183-14dkou5354

Published: October 13, 2014
© 2014 Betsch et al.
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