Doz. Dr. Karin Pieber (Universitätsklinikum St. Pölten) präsentierte verschiedene Programme zur Prävention von Sportverletzungen. Da gibt es zum Beispiel die App „Get Set“ oder „Stop X“, ein Programm zur Prävention von Knieverletzungen. Im Fußballsport bereits sehr bewährt haben sich auch „FIFA 11+“ und „FIFA 11+ kids“. Eine Übersicht und Links zu weiteren spezifischen Präventionsprogrammen findet man auf der Website der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) unter www.gots.org/praevention .
Die Effektivität solcher Programme ist wissenschaftlich belegt, wie Pieber betonte. So konnten zum Beispiel VKB-Rupturen bei jungen Sportlerinnenum 64% reduziert werden.1 Empfohlen wird, vor und während der Saison 2- bis 3-mal pro Woche für 10–20 Minuten ein spezifisches Training von Kraft, Beweglichkeit, Sensomotorik und Geschicklichkeit durchzuführen.
Auch Verletzungen des oberen Sprunggelenks (OSG), vor allem Re-Verletzungen, können wirksam verhindert werden: sowohl mit Krafttraining als auch mit sensomotorischen Übungen, Tapes oder Orthesen.2–5
Sehr wichtig für alle Sportler sind laut Pieber rumpfkräftigende Übungen, denn eine gute Rumpfstabilität kann sehr viele verschiedene Sportverletzungen abwenden.
Wissen in die Praxis bringen
Die wissenschaftliche Evidenz ist also vorhanden und es gibt auch schon eine Reihe sehr guter Präventionsprogramme. Die Herausforderung besteht nun darin, bei Sportvereinen, Lehrern und Trainern ein Problembewusstsein zu schaffen, damit Verletzungsprävention auch implementiert wird. Jeder Sportler sollte die sportartspezifischen Belastungen und Risikofaktoren kennen und über vorhandene Präventionsprogramme informiert werden.
Zur Steigerung der Attraktivität, vor allem für Jugendliche, sollten neue Technologien wie Apps und Sensoren vermehrt genutzt werden, meint Pieber.
Buchtipp: Romain Seil und Thomas Tischer (Hrsg.): Primärprävention von Sportverletzungen. Vopelius 2019
Literatur: 1 Mattu AT et al.: Prevention of non-contact anterior cruciate ligament injuries among youth female athletes: an umbrella review. Int J Environ Res Public Health 2022; 19(8): 4648 2 Verhagen E, Bay K: Optimising ankle sprain prevention: a critical review and practical appraisal of the literature. Br J Sports Med 2010; 44(15): 1082-8 3 Bleakley CM et al.: Rehabilitation exercises reduce reinjury post ankle sprain, but the content and parameters of an optimal exercise program have yet to be established: a systematic review and meta-analysis. Arch Phys Med Rehabil 2019 ; 100(7) : 1367-75 4 Kaminski TW et al.: Prevention of lateral ankle sprains. J Athl Train 2019; 54(6): 650-61 5 Nouni-Garcia R et al.: Clinical benefit of the FIFA 11 programme for the prevention of hamstring and lateral ankle ligament injuries among amateur soccer players. Inj Prev 2018; 24(2) : 149-54
Zum Auftakt der Jahrestagung verlieh BVdO-Präsident Prof. Dr. Ronald Dorotka die Ehrenmitgliedschaft an ein langjähriges Vorstandsmitglied: Dr. Rudolf Sigmund ist seit 1998 als Fachgruppenvorstand für Orthopädie und orthopädische Chirurgie in der Ärztekammer Burgenland und seit 2001 als Obmann der Bundesfachgruppe Orthopädie und orthopädische Chirurgie der Österreichischen Ärztekammer standespolitisch tätig. Er ist langjähriges Vorstandsmitglied in der ÖGO und im BVdO und auch in vielen anderen fachspezifischen und standespolitischen Ausschüssen tätig. Unter anderem hat er maßgeblich am Rasterzeugnis der Ärzte-Ausbildungsordnung 2015 mitgewirkt.
„Er ist Orthopäde und Standespolitiker mit Leib und Seele und ein Medizinphilosoph“, fasste Dorotka zusammen.
Eine Kostprobe seiner Philosophie gab Sigmund dann in seiner Dankesrede: „Leben ist definiert durch fünf Kennzeichen: Stoffwechsel, Wachstum, Sinneswahrnehmung, Fortpflanzung und Bewegung“, sagte er. Diese fünf Bereiche bilden ein komplexes System und beeinflussen sich wechselseitig. Orthopäd*innen sollten daher bei ihrer Kernaufgabe – nämlich Bewegung zu ermöglichen und zu erhalten – auch die anderen Lebensbereiche miteinbeziehen.
Die Broschüre zum 60-Jahre-Jubiläum des BVdO ist da.
Was macht der BVdO? Wofür steht er? Die Geschichte des Berufsverbands Österreichischer Fachärzte für Orthopädie zu dokumentieren, war schon lange ein Anliegen von Präsident Univ.-Prof. Dr. Ronald Dorotka.
Nun gibt es einen ausführlichen historischen Rückblick auf 60 Jahre BVdO und auf die Aufgaben der niedergelassenen Orthopädie.
Weil die Krankheitsverläufe sehr unterschiedlich sind, müssen Ewing-Sarkome während der Therapie engmaschig kontrolliert werden. Ein deutsch-österreichisches Forschungsteam will zukünftig Veränderungen im Tumorgewebe mithilfe von Blutuntersuchungen schneller und einfacher diagnostizieren.
Bei der Ausbreitung von Metastasen spielen regulatorische Proteine, die bestimmte genetische Netzwerke aktivieren, eine bedeutende Rolle. Einige dieser Schlüsselproteine könnten für die Vorhersage des Krankheitsverlaufes von Ewing-Sarkom-Patienten genutzt werden, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Die Wirbelsäule stand im Fokus der Jahrestagung des Berufsverbandes Österreichischer Fachärzte für Orthopädie (BVdO) im November in Wien. Konservative und operative Möglichkeiten zur Behandlung von Rückenschmerzen wurden präsentiert, aber auch gesundheitspolitische Fragen standen zur Diskussion.
Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (ÖGO) erstellt. Die wissenschaftliche Leitung der Veranstaltung hatten BVdO-Präsident Prof. Dr. Ronald Dorotka und ÖGO-Präsidentin Prof. Dr. Catharina Chiari.
Einleitend referierte Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, zum Thema „Extramurale Gesundheitsversorgung 2030 – Visionen und Realität“. Aufgrund der demografischen Entwicklung steigt der Bedarf an medizinischer Versorgung kontinuierlich. Gleichzeitig wird – vor allem im Kassenbereich – ein Ärztemangel für die nächsten Jahre prognostiziert. „Die extramurale Gesundheitsversorgung in Österreich steht somit vor einer der größten Herausforderungen der Nachkriegszeit“, so Szekeres. Die Orthopädie wird davon besonders betroffen sein, denn laut einer Analyse der ÖÄK werden 62 % der Orthopäden mit Kassenvertrag in den nächsten 10 Jahren das Pensionsalter erreichen. Um diesem Trend entgegenzuwirken bedürfe es eines Maßnahmenbündels, meint Szekeres. Kassenverträge müssten attraktiver werden und Präventionsarbeit müsse verstärkt werden. Den Stellenwert von konkreten Präventionskonzepten hob auch Dr. Peter Machacek, Baden, hervor. In der konservativen Orthopädie und Rehabilitation gewinnen telemedizinische Versorgungskonzepte immer mehr an Bedeutung.
Konkret und praxisbezogen beschrieb anschließend Dr. Rudolf Keusch, Wien, verschiedene Infiltrationstechniken an der Wirbelsäule und erläuterte Vorteile und Einsatzgebiete der diversen injizierbaren Substanzen. Dr. Helmut Liertzer, Hinterbrühl, präsentierte Kasuistiken von Patienten mit therapieresistenten Schmerzen, die letztendlich mit Neuraltherapie erfolgreich behandelt werden konnten. Er wies auch darauf hin, dass Probleme in der Halswirbelsäule ihre Ursache im HNO- oder Kieferbereich haben können.
Aus Schleswig-Holstein kam Prof. Dr. Ludger Gerdesmeyer, um über die extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT) zu berichten. Im Gegensatz zur Magnetfeldtherapie, die mit statischen Magnetfeldern arbeitete und damit wenig erfolgreich war, hat die EMTT nachweislich eine nützliche biologische Wirkung und kann im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzepts u. a. bei posttraumatischen Weichteilödemen, Knochenmarködemen, Osteoarthritis oder Rückenschmerz als ergänzende Therapie in Betracht gezogen werden.
Über Anwendungsgebiete für PRP („platelet-rich plasma“) an der Wirbelsäule sprach Dr. Bernhard Zillner, Wien. Sie reichen von Radikulopathie über Bandscheibendeneration bis hin zur Facettengelenks- und ISG-Arthrose. Voraussetzungen sind eine sorgfältige Differenzialdiagnostik und Patientenauswahl sowie eine gute Injektionstechnik (Bildwandler, Ultraschall).
In seinem zweiten Vortrag präsentierte Dr. Peter Machacek die S2k-Leitlinie „Spezifischer Kreuzschmerz“ (AWMF 033-051). Diese sollte herangezogen werden, wenn die leitliniengerechte Therapie nach der Nationalen Versorgungsleitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ nicht zielführend ist und der Verdacht auf eine spezifische Ursache besteht. Neben den Facetten- und ISG-Gelenkschäden und den degenerativ bzw. entzündlich bedingten Erkrankungen finden sich in den Leitlinien auch myofasziale und hypomobile segmentale Dysfunktionen unter den spezifischen Ursachen. Diese Schmerzbilder wurden – obwohl schon lange bekannt – erst spät in die Leitlinien und in die ICD-Codierung aufgenommen.
Schwangere Frauen sind sehr häufig von Rückenschmerzen betroffen, wobei die Gefahr einer Chronifizierung über die Schwangerschaft hinaus besteht, wie Dr. Manfred Riegler aus Wien betont. Dennoch bleiben Schwangere mit Rückenschmerzen oft unter- oder gar unbehandelt. Dabei stünden gute Therapieoptionen zur Verfügung. Insbesondere die Methoden der manuellen Medizin bleiben oft ungenützt, obwohl die Erfolge gut sind: Laut Riegler werden 41 % der Patientinnen durch Chirotherapie schmerzfrei, bei 76 % kann eine signifikante Schmerzreduktion erreicht werden (durchschnittliche VAS-Reduktion von 6,1 auf 2,0).
Rückenschmerzen können auch ein Symptom von Osteoporose sein
Dr. Judith Haschka, Internistin aus Wien, gab in ihrem Vortrag einen Überblick über Osteoporose: von der Diagnose bis zur knochenspezifischen Therapie. Für Hausärzte, Orthopäden und Unfallchirurgen sei es vor allem wichtig, bei Rückenschmerzen an vertebrale Frakturen zu denken und bei Signalfrakturen (vertebrale Fraktur, Hüft-, Radius-, Humerus- oder Beckenfraktur) den entsprechenden Diagnostikpfad einzuleiten. Die DXA ist zwar der Goldstandard der Osteoporosediagnostik, so Haschka, liefert aber gerade bei älteren Menschen oft falsch negative Ergebnisse, da die Messungen durch degenerative Veränderungen, z. B. Aortenverkalkungen, verfälscht werden können. Die ergänzende Messung des „Trabecular Bone Score“ (TBS) ermöglicht verlässlichere Prognosen für das Frakturrisiko.
„Bei Wirbelkörper- oder proximaler Femurfraktur kann unabhängig vom DXA sofort eine medikamentöse Therapie gestartet werden“, erklärt Haschka. In jedem Fall soll die Therapie an das Risikoprofil des Patienten adaptiert werden (Sequenztherapie basierend auf individuellem Frakturrisiko). Der Behandlungserfolg soll regelmäßig evaluiert werden. Vor allem ist ein unkontrolliertes Absetzen einer Therapie, insbesondere bei Denosumab und Teriparatid, zu vermeiden. Stattdessen soll eine Konsolidierungstherapie gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaften erfolgen.
Neuigkeiten aus der Wirbelsäulenchirurgie
Nach einem Überblick über die Standardversorgungen in der Wirbelsäulenchirurgie ging Prof. Dr. Petra Krepler, Wien, auf personalisierte Versorgungsmöglichkeiten, beispielsweise individuell angefertigte Schrauben und Bohrschablonen, ein. Auch moderne Entwicklungen wie Artificial Intelligence, Roboterchirurgie, roboterassistierte Navigation und „Augmented Reality“ haben Einzug in die Wirbelsäulenchirurgie gehalten. Eine Neuerung für die Behandlung von idiopathischen Skoliosen stellt das „Vertebral Body Thethering“ dar. Hier wird ein Kunststoffseil an der konvexen Seite der Skoliose angebracht.
Dr. Markus Strickner, Klinik Floridsdorf, Wien, präsentierte die neuesten Möglichkeiten in der chirurgischen Behandlung von Early-onset-Skoliosen. Weil das jährliche „Nachstellen“ von herkömmlichen Wachstumsimplantaten eine erhebliche Belastung für die Kinder und ihre Familien darstellt, wurden Implantatsysteme etabliert, die mit einem magnetischen Mechanismus ohne offene Operation perkutan angepasst werden können. Diese „magnetic rods“ werden minimal invasiv subfaszial implantiert. Strickner: „Je nach Körperwachstum kann der Stab alle 3–4 Monate ambulant und ohne Narkose um 2–7 mm verlängert werden.“ Das Nachstellen ist für die Patienten schmerzlos.
Ein weiteres innovatives Wachstumssystem, das VEPTR („Vertical Expandable Prosthetic Titanium Rib“), setzt nicht direkt an der Wirbelsäule an, sondern macht eine indirekte Korrektur der Wirbelsäule über Rippenspreizung.
Bei kurzstreckigen kongenitalen Deformitäten kann auch eine direkte Korrektur versucht werden. Die Fehlbildung wird dabei gelöst oder reseziert. Nach einer kurzstreckigen Spondylodese können die Kinder dann normal weiter wachsen und es sind meist keine weiteren lenkenden Operationen nötig. Insbesondere Halbwirbel können mit dieser Technik erfolgreich beseitigt werden.
„All diese Operationen sollten nur von Spezialisten und immer unter Neuromonitoring durchgeführt werden“, betonte Strickner.
Bericht:
Mag. Christine Lindengrün
Quelle:
BVdO-Jahrestagung 2021, 20. November 2021, Wien