Die Vorläufer von Muskelfasern wandern gemeinsam, indem sie Filopodien bilden, mit denen sie sowohl aneinander als auch am Untergrund haften. Ein Marburger Forschungsteam beschreibt erstmals im Detail, welcher molekulare Mechanismus dieser Art von Zellbewegung zugrunde liegt.
Um Gewebe und Organe zu bilden, wandern Zellen gemeinsam und gleichgerichtet, erläutert der Marburger Physiologe Prof. Dr. Sven Bogdan, der die Forschungsarbeit leitete. Die bisher bekannten Mechanismen erklären vor allem, wie Zellverbünde im Kollektiv wandern. Worauf beruht aber die Bewegung von Zellen, die zu Geweben verbunden sind?
Das Team untersuchte die Wanderungsbewegung von Myotuben (vielkernige Vorläufer von Muskelfasern, die aus mehreren Zellen verschmolzen sind). Um sich fortzubewegen, bilden Myotuben fadenförmige Zellfortsätze (Filopodia) anstelle der blattförmigen Ausbuchtungen anderer Zelltypen. Auch die genetische Steuerung ihrer Entstehung unterscheidet sich bei den verschiedenen Zellfortsätzen.
Die Filopodien erstrecken sich zwar in alle Richtungen, ihre Anheftung am Untergrund, der Matrix, ist jedoch stabiler als die zwischen den Zellen. „Kontakte zwischen den Zellen halten Positionsinformationen bereit, die den einzelnen Zellen im Gewebeverband die Richtung vorgeben“, erklärt Dr. Maik Bischoff, der Erstautor des Fachartikels. „Wenn die Zellen den Kontakt zueinander verlieren, stellen sie ihre Wanderungsbewegung ein“. Die Zellen verhalten sich wie ein Schwarm, der kein Voranlaufen von Führungszellen erfordert, um die Verfolgerzellen mitzuziehen, fasst Bogdan zusammen: „Dass die Wanderung der Zellen von deren gegenseitigem Kontakt abhängt, dient der Synchronisation der Bewegung, wenn Organe entstehen. Gleichzeitig schützt der Mechanismus den Organismus vor einem unkontrollierten Auswandern individueller Zellen, wie wir es bei invasiven Tumoren beobachten.“
Quelle:
Philipps-Universität Marburg
Bild:
Die Vorläufer von Muskelfasern bilden Zellfäden (grün), um sich im Verband fortzubewegen; die Fasern des Zellskeletts sind violett angefärbt.
©Sven Bogdan, Maik Bischoff