Die lokale und globale Form der Lendenwirbelsäule ist alters- und geschlechtsabhängig – In vivo Untersuchung an 323 asymptomatischen Probanden
Die lokale und globale Form der Lendenwirbelsäule ist alters- und geschlechtsabhängig – In vivo Untersuchung an 323 asymptomatischen Probanden
Dreischarf M, Albiol Sánchez L, Rohlmann A, Pries E, Strube P, Druschel C, Putzier M, Schmidt H
Fragestellung: Die individuelle Ausprägung der Lendenlordose gilt als prädisponierender Faktor für das Auftreten degenerativer Erkrankungen und hat Einfluss auf den Erfolg operativer Versorgungen [1], [2], [3]. Ein Verständnis des Zusammenspiels zwischen Alter und Geschlecht einerseits und segmentaler und globaler Form und Beweglichkeit (Range of Motion-RoM) andererseits ist essentiell für eine Optimierung von konservativen und operativen Therapiemaßnahmen. Bisher durchgeführte Untersuchungen gehen nicht über die Betrachtung der gesamten Lendenlordose hinaus und zeigen ein uneinheitliches Bild. In der vorliegenden Studie soll der geschlechtsspezifische Einfluss des Alters auf die Lordose im Stehen und den RoM bestimmt werden.
Methodik: Das Messystem Epionics SPINE ermöglicht die nicht-invasive Messung der globalen und segmentalen Rückenform sowie des RoMs in der Sagittalebene mit hoher Messgenauigkeit und Reliabilität [4]. Das Messsystem besteht aus zwei flexiblen Sensorstreifen, die standardisiert auf den Rücken von 323 asymptomatischen Probanden (Alter: 20-75; Frau/Mann=184/139) appliziert wurden. Eine Standardchoreographie bestehend aus maximaler Oberkörperflexion und -extension und einer Referenzmessung im Stehen wurde bis zu sechs Mal je Proband wiederholt. Aus diesen Messungen wurden alle segmentalen Lordosewinkel im Stehen und der lumbale RoM bestimmt. Der Einfluss des Alters auf die Lordose im Stehen und auf den RoM wurde geschlechtsspezifisch segmental und global evaluiert (einfaktorielle Varianzanalyse, alpha=0,05).
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer signifikanten Verringerung der Lendenlordose. Die Entlordosierung nimmt relativ von kaudal nach kranial zu und tritt absolut am stärksten im mittleren Abschnitt der Lordose auf. Der Prozess der Entlordosierung ist bei Frauen ausgeprägter als bei Männern. Bezüglich der Beweglichkeit ergeben sich ähnliche Zusammenhänge. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer signifikanten Abnahme des lumbalen RoM, wobei insbesondere der kaudale Abschnitt der Lordose auch im höheren Alter seine Beweglichkeit erhält.
In Übereinstimmung mit dem Großteil der Literatur verringern sich sowohl die globale Lordose im Stehen als auch der RoM geschlechtsspezifisch mit dem Alter. Es ist jedoch das erste Mal, dass eine Gesetzmäßigkeit der Entlordosierung von kaudal nach kranial dokumentiert wurde. Eine Verringerung der Lordose tritt demnach auch bei asymptomatischen Probanden auf und ist normaler Teil des Alterungsprozesses. Insbesondere der lumbo-sakrale Übergang bleibt dabei mit zunehmendem Alter lordotisch und beweglich. Die hier aufgezeigten alters- und geschlechtsspezifischen Veränderungen der Lordose wurden in bisherigen Konzepten der Rekonstruktion des sagittalen Profils nur unzureichend berücksichtigt und können einen wesentlichen Einfluss auf den therapeutischen Erfolg haben.
Literatur
1.Barrey C, Jund J, Noseda O, Roussouly P. Sagittal balance of the pelvis-spine complex and lumbar degenerative diseases. A comparative study about 85 cases. Eur Spine J. 2007 Sep;16(9):1459-67. DOI: 10.1007/s00586-006-0294-6
2.Strube P, Hoff E, Hartwig T, Perka CF, Gross C, Putzier M. Stand-alone anterior versus anteroposterior lumbar interbody single-level fusion after a mean follow-up of 41 months. J Spinal Disord Tech. 2012 Oct;25(7):362-9. DOI: 10.1097/BSD.0b013e3182263d91
3.Roussouly P, Gollogly S, Berthonnaud E, Dimnet J. Classification of the normal variation in the sagittal alignment of the human lumbar spine and pelvis in the standing position. Spine (Phila Pa 1976). 2005 Feb 1;30(3):346-53.
4.Taylor WR, Consmüller T, Rohlmann A. A novel system for the dynamic assessment of back shape. Med Eng Phys. 2010 Nov;32(9):1080-3. DOI: 10.1016/j.medengphy.2010.07.011
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2014). Berlin, 28.-31.10.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocGR19-1309
doi: 10.3205/14dkou537, urn:nbn:de:0183-14dkou5371
Published: October 13, 2014
© 2014 Dreischarf et al.
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